Girteka Logistics schrieb mit klugem Management eine gigantische Erfolgsstory

Wirtschaft & Logistik

Lean & clean.

Mit 7.000 Mitarbeitern und Kunden unter den grössten Unternehmen Europas ist Girteka Logistics ein Schwergewicht im Transportsektor. Und die Litauer wachsen weiter! Zentrale Erfolgsfaktoren: «Lean»-Management und eine eigene Flotte, zu der jetzt 1.100 Actros zählen.

36 Prozent. Das ist der Lebensmittelanteil der 2015 von Girteka transportierten Ware.


Die Geschichte von Girteka Logistics aus Litauen beginnt in Dänemark. Mindaugas Raila, 24 Jahre alt, kauft einen Gebraucht-Truck mit Trailer. Ein Freund, der Fisch exportiert, hat ihm erzählt, Transporte seien ein gutes Geschäft. Litauen hat wenige Jahre zuvor die Unabhängigkeit von der Sowjetunion erlangt, es herrscht Aufbruchstimmung. Der Freund behält recht: Mit Girteka Logistics führt Raila, heute 44, inzwischen eines von Europas dynamischsten Transportunternehmen. Fast 3.000 Lkw fahren Ware quer durch den Kontinent, für Kunden aus unterschiedlichen Branchen wie Food, Retail und Pharma. Seit Kurzem zählen erstmals Trucks mit Stern zur Flotte: Girteka Logistics hat mittlerweile schon 1.100 Actros erworben.


Der Unternehmer begrüsst das «Mercedes-Benz Transport»-Team in seinem Büro in der Hauptstadt Vilnius. Ob er sich ein solches Wachstum zu Beginn habe vorstellen können? «Nein», sagt er, «höchstens heimlich.» Das volle Potenzial habe er erst zu Beginn des laufenden Jahrzehnts realisiert. Von 2010 bis 2014 lag das jährliche Umsatzwachstum stets im zweistelligen Bereich, entsprechend schnellte die Mitarbeiterzahl herauf.

«Wir haben einen klaren Fokus», antwortet der Unternehmer auf die Frage, was den Aufstieg befeuere: «Wir transportieren Komplettladungen in ganz Europa. Mit eigenen Fahrzeugen und fest angestellten Fahrern für ein Maximum an Kontrolle.» Wie viele Logistiker aus Osteuropa sieht sich Girteka Logistics oft mit dem Vorwurf konfrontiert, der Erfolg beruhe auf Wettbewerbsverzerrung, etwa wegen niedriger Löhne für angeblich schlecht ausgebildete Fahrer. Die Litauer halten diesem Vorurteil die Gehälter ihrer gut 6.000 Fahrer entgegen: Bis zu 2.000 Euro netto sind monatlich drin. Ausserdem den neuen Standort in Siauliai, 190 Kilometer nordwestlich von Vilnius. Wichtigste Einrichtung: die Drivers Academy für Trainings und Fortbildungen. Die Themen der Kurse reichen vom richtigen Verhalten bei Glatteis bis zur Abwicklung des Papierkrams bei Russland-Verkehren. Zertifizierte Ausbilder schulen nach dem EU-weit gültigen Code 95, es gibt Eco-Trainings und Kühlauflieger-Schulungen.


Japan-Import «Kaizen». Alle Mitarbeiter sind aufgerufen, Verbesserungsvorschläge aufzuschreiben und sie an einer Tafel zu hinterlassen – einmal pro Woche werden sie ausgewertet.
Japan-Import «Kaizen». Alle Mitarbeiter sind aufgerufen, Verbesserungsvorschläge aufzuschreiben und sie an einer Tafel zu hinterlassen – einmal pro Woche werden sie ausgewertet.

«Unsere Fahrer sind der Schlüssel zum Erfolg», sagt Raila. «Da sind gute Arbeitsbedingungen essenziell.» Deshalb stehen den Fahrern in Siauliai etwa auch Waschmaschinen, Trockner und sichere Parkplätze für ihre Pkw zur Verfügung.

Auch die 1.100 Actros betrachtet Raila als Investition in gute Arbeitsbedingungen. Alle verfügen über das BigSpace-Fahrerhaus mit ebenem Boden und 1,99 Meter Stehhöhe. «Davon abgesehen haben wir uns den Actros in allen Belangen sehr genau angesehen und uns für ihn entschieden, weil er ebenso leistungsstark im Betrieb wie – auch mit Blick auf den Restwert – enorm wirtschaftlich ist.»


Gut aufgestellt. An einem Durchschnittstag sind in jedem EU-Staat bis zu 100 voll beladene Trucks unterwegs.


Lean bedeutet mehr Effizienz für die Kunden.

Effizienz ist im ganzen Unternehmen Trumpf. Seit dem vergangenen Jahr heisst das Leitbild «Lean». Die japanische Art der Betriebsführung fördert schlanke Prozesse – und intensive Teilhabe aller Mitarbeiter auf dem Weg dahin. Gewünschter Effekt: stetige, messbare Verbesserung. «Wenn man so schnell wächst wie wir, kann die Organisation kaum Schritt halten», so Raila. «Daher haben wir Lean eingeführt. Und schon jetzt profitieren wir und die Kunden davon!»

Das bekannteste Lean-Prinzip ist das sogenannte Kaizen: Verbesserung unter anderem durch die Vorschläge der Mitarbeiter. «Einer davon lautete: Lasst uns Reklamationen übers Netzwerk statt mit Formularen abwickeln», sagt Denis Miklaševskij. Er ist in der Girteka Logistics-Zentrale der Kaizen-Verantwortliche für gut 400 Sales-Kollegen, die Kunden aus Nordeuropa betreuen. «Zuvor nahm so etwas mitunter mehrere Tage in Anspruch, jetzt können wir innerhalb von ein paar Stunden reagieren.»

Täglich um 8.45 Uhr heisst es «Asaichi»: Ob bei den Sales-Leuten oder im Warehouse: Die Teams treffen sich für zehn Minuten in Kleingruppen, sprechen Probleme an, erarbeiten Lösungen. Grundlage sind die für jede Gruppe wichtigen «Key Performance Indicators» (KPI): Wie hoch ist der Anteil der pünktlich beladenen Trucks? Wie viele Aufträge waren unklar formuliert? Ziel ist es in vielen Fällen, Zeitverluste zu lokalisieren und auszuschalten.


All das soll Girteka Logistics fit machen für weiteres Wachstum. Eine Flotte von 5.000 Trucks und 10.000 Mitarbeiter hat sich Mindaugas Raila als Ziel gesetzt. Und dann? «Der Markt ist noch immer so fragmentiert, das lässt weiterhin jede Menge Spielraum.»

Fotos: Sebastian Vollmert

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